Presseartikel
Biopolymere mit Heißkanälen verarbeiten
Die Schmelztemperaturen von bioabbaubaren Polymeren liegt unter der von fossil-basierten Kunststoffen. Dies gilt es bei der Verarbeitung und dem Einsatz von Heißkanaltechnik zu berücksichtigen.
Eine moderne Welt ohne Kunststoffe ist undenkbar, daher ruhen viele Hoffnungen auf Biokunststoffen, um unseren Lebensstandard zu bewahren und zu verbessern. Deshalb wird der Bedarf an alternativen Lösungen für fossilbasierte Materialien mit großer Wahrscheinlichkeit noch bedeutender. Auch weil entsprechende neue Gesetze in Kraft treten werden oder schon sind. Allen voran die neue Verordnung der Europäischen Union über Verpackungen und Verpackungsabfälle (Packaging and Packaging Waste Regulation, kurz PPWR), die dies befeuern wird. Darin nimmt die EU die Produzenten unter anderem in die Pflicht, für eine Kompostierbarkeit von bestimmten Verpackungsformen und Materialien zu sorgen.
Nachhaltige Kunststoffe – keine neue Idee
Bis in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts wurden Kunststoffe ausschließlich ausnachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Verwendet wurde damals als Ausgangsstoff Zellulose. Dieser erste Biokunststoff, das Celluloid, erwies sich als durchaus gut verarbeitbar, sodass der Anwendungsbereich auf Spielzeuge, Brillenfassungen und weitere Produkte ausgedehnt wurde. 1897 ergänzte eine weitere Entwicklung das Portfolio, bei dem Milchprotein als Ausgangsstoff zum Einsatz kam. Erst gegen Ende des zweiten Weltkrieges wurde auf nicht erneuerbare Ressourcen umgestiegen. Die erdölbasierten Kunststoffe – Polyamid, Acryl und Polystyrol – waren die ersten Alternativen und deutlich preiswerter. In den 1950er Jahren kamen Polyethylen und Polypropylen hinzu. Die kostenintensiveren Biokunststoffe hatten so keine Chance mehr. Auch weil das Erdöl damals viel billiger und die Kunststoffe vielseitiger einsetzbar waren.
Erst in den 1990er Jahre wurde erneut verstärkt damit begonnen, Kunststoffe teilweise oder ganz aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen. Das Nova-Institut für politische und ökologische Innovation in Hürth, prognostizierte erst kürzlich in einer Studie eine jährliche Zunahme von verarbeiteten biobasierten Polymeren von 17 %. 2024 betrug das Gesamtproduktionsvolumen biobasierter Polymere 4,2 Mio. t, was in etwa 1 % des gesamten Produktionsvolumens fossilbasierter Polymere entspricht. Noch immer zu wenig!
Liegt der zögerliche Einsatz von Biopolymeren an der Verarbeitung oder daran, dass noch erhebliche Unsicherheiten über die geeigneten Anwendungen von Biokunststoffen bestehen? Jörg Essinger, Leiter Anwendungstechnik bei Günther Heisskanaltechnik, führt dies zum einen darauf zurück, dass biobasierte Polymere in der Regel teurer in der Herstellung als konventionelle Kunststoffe sind. „Dies schränkt ihre Wettbewerbsfähigkeit in vielen Märkten ein, zum Beispiel bei klassischen Consumer-Produkten. Auch ist die Akzeptanz seitens der Verbraucher oftmals noch nicht gegeben. Aber der regulatorische Druck durch beispielsweise die PPWR treibt den Wandel voran. Da fast die Hälfte der Biokunststoff-Produktion für Verpackungen verwendet wird, wird sich dies in absehbarer Zeit ändern,“ führt Essinger an. „Für technische oder gar Hochleistungsanwendungen ist dies anders, da deutlich höhere Anforderungen in Bezug auf mechanische Festigkeit und Temperaturbeständigkeit erfüllt werden müssen. Des Weiteren steht häufig der unerwünschte hydrolytische Abbau im Weg.“
In diesem Zusammenhang weist der Leiter Anwendungstechnik noch einmal darauf hin, wie Biokunststoffe einzuordnen sind und welche Arten es gibt. Biobasierte Kunststoffe sind teilweise aus Biomasse hergestellte Kunststoffe, also zum Beispiel aus Mais und Zuckerrohr. Biologisch abbaubare Kunststoffe hingegen sind Kunststoffe, die sich unter bestimmten Bedingungen zersetzen und beim Abbau nur CO und Wasser hinterlassen. Beide Kunststoffe werden in Normen, wie etwa der DIN EN 16575 definiert. Gemäß dieser Norm ist auch der biologische Abbau als ‚Abbau, bewirkt durch biologische Aktivität, zum Beispiel durch enzymatische Wirkung, die zu einer signifikanten Änderung der chemischen Struktur eines Produktes führt‘, abgegrenzt. Und wie Jörg Essinger anmerkt, können biobasierte Kunststoffe biologisch abbaubar sein, sind es aber oft auch nicht. Umgekehrt sind biologisch abbaubare Kunststoffe nicht zwingend auch biobasiert.
Auf die Frage, ob die ökologischen Vorteile von Papier als Werkstoffalternative für konventionelle Kunststoffe genutzt werden können, erläutert Essinger: „Papierspritzguss kann als Biokunststoff bezeichnet werden, da er aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wird, die biologisch abbaubar sind und letztendlich über die Blaue Tonne entsorgt werden können. Ob ein Kunststoff biologisch abbaubar ist, hängt aber auch von der weiteren Verarbeitung ab und kann nur experimentell festgestellt werden.“
Inzwischen gibt es eine Vielzahl an Biopolymeren, die im Spritzgussverfahren verarbeitet werden können und somit einen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz als auch zur anderweitigen Entlastung der Umwelt beitragen. Wie bereits angeführt, werden Biokunststoffe heute im Marktvergleich noch verhältnismäßig wenig nachgefragt und sind daher teilweise sehr hochpreisig. In der Wirtschaftlichkeitsberechnung heißt das, dass bis zu einem Viertel der Bearbeitungskosten auf die Materialkosten entfallen. Dieser Umstand hält viele Verarbeiter davon ab, Biokunststoffe einzusetzen oder lässt sie nach wirtschaftlichen Lösungen suchen.
Heißkanaltechnik ist hier eine Lösung, denn Heißkanalsysteme ermöglichen beim Spritzgießen ein Reduzieren von Zykluszeiten, verbessern die Temperaturführung und sparen Material. Der Einsatz von Heißkanaltechnik bringt laut Hersteller beim Verarbeiten von Biokunststoff die gleichen Vorteile wie bei technischen Kunststoffen, aber gerade das Thema Temperaturführung sei hier der ‚Gamechanger‘. Denn Biokunststoffe sind thermisch extrem sensibel und müssen entsprechend verarbeitet werden. Da es aber eine große Anzahl an unterschiedlichsten Varianten/Typen auch innerhalb einer Polymergruppe gibt, kann hierfür keine allgemeine Verarbeitungsempfehlungen ausgesprochen, sondern lediglich die Empfehlung für Materialversuche gegeben werden. Meist hängt es von der Art des verwendeten Biopolymers ab, ob es im Vergleich zu herkömmlichen Polymeren auf Standardanlagen leichter oder schwerer verarbeitet werden kann. Der Heißkanalhersteller bietet Materialversuche mit unterschiedlichen Biopolymeren im hauseigenen Technikum an. Hier werden Standarddüsen in verschiedenen Ausführungen getestet. Sowohl offene als auch Nadelverschlussdüsen mit unterschiedlichen Querschnitten, mit konventioneller als auch mit Dickschichtbeheizung, werden zum Erzielen validierbarer Ergebnisse eingesetzt. Bei den Versuchsreihen wird die generelle Verarbeitbarkeit, das Formfüllverhalten anhand von Füllstudien, die Qualität des Anspritzpunktes und das Verhalten nach einer simulierten Prozessunterbrechung bewertet.
Einen besonderen Fokus sei dabei auf die Feuchtigkeit und Temperaturen zu legen, sowie auf die Restfeuchte im Material als auch auf die Temperaturführung im Spritzaggregat und im Heißkanal. „Es zeigte sich einmal mehr, dass sich unsere Blueflow®-Düse gerade bei thermoempfindlichen Materialen bewährt. Die Blueflow®-Düsentechnologie ermöglicht eine sehr viel präzisere und stabilere Temperaturführung als die gängiger, konventioneller Heizer. So ist beispielsweise eine hohe Leistungskonzentration im vorderen Düsenbereich realisierbar, was einen positiven Effekt auf die Prozessstabilität und die Formteilgenauigkeit hat“, beschreibt Essinger. Beispielsweise können PLA-Compounds in einem weiten Prozessfenster in einem stabilen Prozess gut verarbeitet werden.
Die filigrane Dickschichtheizung der Blueflow®-Düse ermöglicht, dass die Heizbahnen näher am Material geführt werden können, was sich positiv auf den Energieverbrauch auswirkt. So kann die Leistungsverteilung über das gesamte Heizrohr hinweg sehr viel genauer erfolgen. Die Dickschichttechnologie ermöglicht es auch die Heizbahnen variabler in Breite und Dicke zu gestalten und zudem präziser (Abstände zwischen den Heizwindungen) zu positionieren. Dadurch lässt sich auch die Leistungsverteilung besser steuern. Diese Funktionen ermöglichen es die Kunststoffmasse homogener und damit schonender zu temperieren. Auch wird hierdurch im vorderen Bereich der Düse eine hohe Leistungskonzentration erreicht. In Verbindung mit dem zweigeteilten Schaft, der im hinteren Teil aus Stahl und im vorderen Teil aus einer Titanlegierung mit sehr geringer Wärmeleitfähigkeit besteht, wird laut Hersteller eine gute thermische Trennung zwischen der Heißkanaldüse und dem temperierten Werkzeug erzielt. Essinger erläutert: „Natürlich gibt es einen Unterschied bei der Verarbeitung der Materialien in einem einfachen Werkzeug oder in einem x-Fach-Werkzeug, etwa ein Etagen- oder einem Tandemwerkzeug. Da ist extrem auf die Balancierung, die Temperaturanpassung und die Verweilzeit der Schmelze im Heißkanal zu achten. Denn mit der Anzahl der Kavitäten/Düsen steigt auch die Komplexität in Bezug auf einen stabilen Prozess. Es ist ein Unterschied, ob ein 4-fach oder 8-fach Werkzeug in Betrieb genommen wird, oder ein 32- oder 64-fach.“
Bei der Frage, was zu tun ist, wenn im Prozess eine thermische Verschlechterung der Materialien zu beobachten ist, wenn die Zykluszeiten, sprich die Verweilzeiten zu lange sind, rät Essinger beim Auslegen des Spritaggregates, die Verweilzeit – minimale versus maximale – anzupassen. Gleiches gilt für den Heißkanal (maximale Verweilzeit). Praktikabel ist auch eine Temperaturabsenkung bei Prozessunterbrechungen. Selbstverständlich sollte ein regelmäßiges Reinigen der schmelzeführenden Komponenten sein, um Ablagerungen und Verschleiß zu vermeiden. Eine weitere Empfehlung von Günther Heisskanaltechnik ist, das Material generell vorzutrocknen. Zwar sind alle Kunststoffgranulate, die in Sackware geliefert werden, ausreichend vor Feuchtigkeit geschützt – solange der Sack verschlossen ist. Nach dem Öffnen eines solchen Gebindes sollte das Material zügig verarbeitet werden. Wird getrocknet, so ist die Restfeuchte im Granulat nach dem Trocknen zu messen und mit den Empfehlungen des Materialherstellers zu vergleichen.
Auch rund um den Papierspritzguss hat der Heißkanalhersteller erste Erfahrungen gemacht, wie Jörg Essinger berichtet: „Die Motivation bei Papierspritzguss ist, Möglichkeiten zu finden, komplexe Formen oder Hohlkörper aus Papier in einem schnellen und wirtschaftlichen Verfahren produzieren zu können.“ Mit dem Material Papier kann in einen Sektor vorgedrungen werden, der durch die bisherigen Methoden der Gestaltung räumlicher Papierstrukturen durch Faserguss oder durch Schneide- und Klebtechniken nicht abgedeckt werden kann. Es gibt bereits Anwendungen, bei denen Papierfasern im ‚Spritzverfahren‘ verarbeitet werden. In der praktischen Umsetzung zeigt das Verfahren aber noch viele technologische Herausforderungen, welche es zu lösen gilt. „Es wurden erste Versuche mit reinen Papierfasern – neu versus recycliert – und mit Mischungen aus Biopolymeren mit Papierfasern durchgeführt. Auch gibt es Compounds aus Cellulose mit Mineralfüllungen. „Erste Ergebnisse mit Heißkanaltechnik liegen schon vor, aber Serienanwendungen gibt es meines Wissens noch nicht“, sagt Essinger. „Man kann aber festhalten, dass durch die zahlreichen Spezialverfahren des Spritzgießens zur kernfreien Erzeugung von Hohlstrukturen, Papier als preiswerte, umweltschonende und leicht zu verwertende Komponente dienen kann.“
Harald Wollstadt, freier Journalist
Über GÜNTHER Heißkanaltechnik GmbH
GÜNTHER Heißkanaltechnik GmbH ist ein weltweit führender Anbieter von Heiß- und Kaltkanalsystemen für die kunststoff- und silikonverarbeitende Industrie. Mit über 40 Jahren Erfahrung entwickelt GÜNTHER innovative Lösungen, die höchste Effizienz, Prozesssicherheit und Produktqualität gewährleisten. Das Unternehmen bietet sowohl modulare Standardsysteme als auch maßgeschneiderte Speziallösungen für eine Vielzahl von Branchen, darunter Automotive, Elektronik, Medizintechnik, Verpackung und Konsumgüter.
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