Presseartikel
LSR-Verarbeitung fest im Griff
Die optimale Verarbeitung von Zweikomponenten-Flüssigsilikonen
Additionsvernetzende Flüssigsilikonkautschuke (LSR) wurden Ende der 1970er Jahre von Dow Corning entwickelt und werden aufgrund ihrer guten Werkstoff- und Verarbeitungseigenschaften in immer mehr Industriebereichen eingesetzt. Hans-Peter Resler, Technical Advisor LIM bei Enbi Plastics B.V. in Holland, der den Markt von Beginn an begleitet hat, weiß: „Die LSR-Verarbeitung ist längst kein Nischenmarkt mehr, denn es kommen zunehmend neue Anwendungsgebiete dazu.“
In fast jeder Branche wird heute Silikon verarbeitet – ob in der Medizintechnik, der Elektro/Elektronik-, der Automotive- oder der Lebensmittelindustrie. Gerade im Anwendungsbereich der Medizintechnik und im Human- und Lebensmittelsektor ist die Verarbeitung von Additionsvernetzenden Flüssigsilikonkautschuken stark im Wachsen begriffen, auch weil das Material sterilisierbar ist und über eine gute Biokompatibilität verfügt. Hans-Peter Resler sieht die Gründe in der fließfähigen Konsistenz und den kurzen Vernetzungszeiten, wodurch sich eine hohe Produktivität durch schnelle, automatisierte und umweltverträgliche Fertigungsmöglichkeiten mittels Spritzgussverfahren (LIM) ergibt. Das Bauteilespektrum erstreckt sich heute von Klein- und Präzisionsteilen mit einem Teilgewicht von unter 0,05 g in hohen Stückzahlen bis zu großvolumigen Teilen mit einem Gewicht von bis zu 8 kg in kleinen und mittleren Serien. In der Automobilindustrie reicht dies beispielsweise von Schalterabdeckungen und Schutzkappen über Membranen für Zentralverriegelungen bis hin zu Scheinwerferabdichtungen. Die Elektrotechnik nutzt das Material als Schaltmatten oder Anodenkappen bis hin zu Elektrosteckern oder als Schutzmaterial für Leiterplatten. In der Medizintechnik werden LSR-Komponenten etwa als Herzkatheter, Trink- und Beruhigungsschnuller, Kontaktlinsen oder Beatmungsmasken verwendet. Dichtringe, Strahleinsätze oder Dichtungen für Mischbatterien sind Anwendungen aus der Haushalts- und Sanitärtechnik. Die Lebensmittelindustrie schätzt die physiologische Unbedenklichkeit bestimmter zugelassener Typen sowie die Sterilisierbarkeit mittels Hitze oder Gamma-Strahlen, aber auch, dass der Werkstoff geschmacks- und geruchsneutral ist.
um eine frühzeitige Vernetzung zu verhindern
Anfang der 80er Jahre begann die spritzgießtechnische Verarbeitung von Zweikomponenten-Flüssigsilikonen, als 1978 Franz Sterner Werkzeugbau, Marchtrenk, Österreich, das erste Spritzgießwerkzeug für Flüssigsilikonkautschuk baute. Die heutige Starlim/Sterner-Unternehmensgruppe, die sich aus den beiden 1974 als Franz Sterner GmbH Werkzeugbau und 1984 zunächst als Starlim Gummi- und Kunststoffverarbeitungs-GmbH gegründeten Unternehmen entwickelt hat, gilt heute als Pionier in dem Bereich Flüssigsilikonverarbeitung und dem dazugehörigen Werkzeugbau. „Ja, damals steckte der LSR-Markt noch in den Kinderschuhen“, erinnert sich Hans-Peter Resler, Technical Advisor LIM bei Enbi Plastics B.V. Das Unternehmen Enbi Plastics versteht sich als Wissensvermittler und Co-Creator im Bereich Kunststoff- und Silikonprodukte. Von Engineering, Musterbau und Testformen über die Produktion und Montage bis zur Verpackung bietet das niederländische Unternehmen alles aus einer Hand. „Materialeigenschaften wie Dauertemperatur-Beständigkeit im Bereich von -50 °C bis 230 °C (neu entwickelt von Enbi auch bis 300 °C) sowie eine annähernd unveränderte Elastizität über den gesamten Temperatur-Einsatzbereich machen LSR so interessant für alle Industriebereiche. Auch die konstanten elektrischen Eigenschaften, hervorragende Alterungs- und Witterungsbeständigkeit oder die Ozon- und UV-Stabilität sind zu nennen“, erklärt Resler. LSR wird aus zwei Komponenten gemischt und diese Mischung wird im unvernetzten Zustand während des Einspritzens in die heiße Form extrem niedrigviskos, was die Verarbeitung nicht einfacher macht.
Die Zweikomponenten-Mischungen gehören zur Gruppe der hochtemperaturvernetzenden Kautschuke, was bedeutet, dass die Reaktion unter Temperatur ohne Bildung von Spaltprodukten startet. „Dieser Sachverhalt ist bei der Spritzgießverarbeitung von Vorteil, denn Ablagerungen oder eine Belagbildung auf bzw. in den Werkzeugen sind nicht zu befürchten“, so Resler. „Wir haben angefangen, nach unseren Vorstellungen etwas zu entwickeln, was aber noch weit weg von der heutigen Kaltkanaltechnologie war“, erinnert sich Resler. „Die Idee war, eine Werkzeug- und Injektionstechnologie zu entwickeln, die eine automatisierte Fertigung ermöglicht.“
Für einen stabilen, reproduzierbaren Prozess müssen viele Bedingungen berücksichtigt werden – gerade im LSR-Bereich mit zwei homogen zu mischenden Komponenten, die kalt in ein heißes Werkzeug eingespritzt werden. Die Vernetzung (Vulkanisation) startet durch den Einfluss der Werkzeugtemperatur, meist zwischen 160 °C und 220 °C. Dann allerdings läuft die Reaktion sehr zügig ab. Folglich sind auch recht kurze Zykluszeiten möglich. „Aufgrund der niedrigen Viskosität und der hohen Forminnendrücke müssen die Werkzeuge sehr genau gefertigt werden, da LSR in kleinste Spalten (> 4 µm) fließt. Zu hohe Toleranzen führen zu Grat- und Schwimmhautbildung“, erläutert der Technical Advisor LIM von Enbi Plastics. „Jetzt hatte man mit Anguss- und Verteilerkanälen sowie den Kavitäten zwei separate Systeme mit zwei verschiedenen Temperaturen, die zusammengebaut 100%ig leckagefrei sein mussten. Das stellte uns schon vor große Herausforderungen.“
Die Grundlage eines stabilen Prozesses ist eine sehr gute Reproduzierbarkeit der Parameter von Zyklus zu Zyklus. Ein wesentlicher Parameter ist zum Beispiel die Werkzeugtemperatur. Denn um einen gleichmäßigen Vulkanisationsgrad zu erreichen, ist eine sehr gleichmäßige Temperaturverteilung über die gesamte Werkzeugoberfläche unerlässlich. „Einerseits muss das Werkzeug gut gekühlt, andererseits gut beheizt werden und durch diese Gegenläufigkeit entstehen meist die Probleme. Wenn man beispielsweise im Anspritzbereich zu viel kühlt, vulkanisiert das Produkt nicht im Werkzeug“, gibt Resler zu bedenken. „Und mit solchen Problemen mussten wir uns in den Anfängen der Entwicklung der Kaltkanaltechnologie rumschlagen.“
Traditionell werden die Werkzeuge über maschinenseitige Heizplatten beheizt, dadurch spielen die Temperaturverteilung der Heizplatten selbst sowie die Werkzeugauslegung und die Anordnung der Kavitäten eine große Rolle. Die Werkzeugkavitäten werden meist mit elektrischen Heizpatronen beheizt. Zudem sollte die eingestellte Temperatur genau geregelt und unabhängig von äußeren Einflüssen konstant gehalten werden. „Durch den Einsatz von Kaltkanälen kann man das je nach Werkzeugkonzept in den Griff bekommen. Die Kaltkanäle werden separat temperiert und die Mischung bleibt fließfähig und vulkanisiert nicht aus. Durch die Düsenverteilung des Kaltkanals können die Kavitäten im Werkzeug direkt gefüllt werden (Nadelverschlusskaltkanal) oder möglichst nah an die Kavität gelegt werden, mit einer kleinen Restanspritzung“, erklärt Resler „Dieses Know-how mussten wir uns erst einmal erarbeiten“, so Resler weiter. „Das Schwierigste war eigentlich der direkte Anspritzpunkt. Wir haben von Edelstahlstiften kleine Nadeln abgesägt und auf einem Unterverteiler ein passendes Loch gebohrt, das wir Stück für Stück aufbohrten. So erhielten wir einen kleinen Versatz, über den wir die notwendige Scherung erreichten. Damit konnten wir direkt auf die Produktwand spritzen.“ Zu Beginn entwickelte sich schnell ein Markt für Werkzeug- und Formenbauer, die komplette Werkzeuge für die LSR-Verarbeitung anboten, die sie meist mit einem Produktionsauftrag koppelten. „Einzelne Kaltkanäle konnte man damals nicht kaufen“, so Resler.
Anlässlich eines Besuchs der Kunststoff-Fachmesse Fakuma wurde Resler auf GÜNTHER Heisskanaltechnik aufmerksam. GÜNTHER präsentierte damals eine überzeugende Idee für die Entwicklung einer Kaltkanaltechnologie. Bekannt als Technologieführer im Bereich der Heißkanaltechnik, konnte GÜNTHER bis dato schon auf eine Expertise in der Kaltkanaltechnologie verweisen. Was aber Resler imponierte, war, dass man bei GÜNTHER in allem, was man tut, was man entwickelt, welche Ideen man hat, bestrebt ist, mit den Kunden zusammen immer die beste Lösung zu finden. Zum anderen war für GÜNTHER die Entwicklung von Heiß- und Kaltkanaltechnik das Kerngeschäft und man koppelte nicht wie so viele andere eine Produktproduktion daran. „Das war für mich sehr wichtig“, betont Resler, „denn nur so entsteht eine echte Zusammenarbeit, die auch Bestand hat.“
Auf die Nachfrage, was die Zusammenarbeit mit GÜNTHER ausmacht, antwortet Resler: „Es ist eine Wechselwirkung. GÜNTHER hat wahnsinnig viel Know-how und Erfahrung darin, wie man die Temperaturen und die Scherung und damit die Vulkanisation beherrscht. Wir bei Enbi Plastics haben die praktische Erfahrung, wie man LSR verarbeitet und welche Probleme dabei entstehen können. Es ist immer ein Zuhören und Mitdenken und Kombinieren. Die einfache Bauweise, der modulare Düsenaufbau und die sehr gute thermische Trennung zwischen Düse und Kavität sind entscheidende Pluspunkte für die Entwicklung hervorragender Kaltkanalsystem-Lösungen“, fasst Resler noch einmal zusammen.
So stellt der Einsatz von GÜNTHER Kaltkanalsystemen eine hohe Verfügbarkeit, eine signifikante Einsparung von Material, bestmögliche Zykluszeiten und eine gleichmäßige, ausgezeichnete Qualität der produzierten Formteile sicher. Die Kaltkanaldüsen von GÜNTHER weisen eine gute thermische Trennung zur heißen Formplatte auf, wodurch eine Wärmeübertragung vermindert und eine frühzeitige Vernetzung unterbunden wird. Die schwimmende Lagerung der Nadelführung oder des Düsenstücks trägt darüber hinaus zu einer hervorragenden Kompensierung der Wärmeausdehnung bei. Um ein Optimum bei der thermischen Trennung zur heißen Düsenhalteplatte sicherzustellen, sind alle Düsenköpfe mit einem Isolationsring aus einer Titanlegierung ausgerüstet. „Da hat GÜNTHER sehr viel Erfahrung gesammelt und intelligent verwertet“, merkt Resler aus Sicht eines LSR-Experten an. Der metallische Kontakt der Nadelführung zum beheizten Werkzeugeinsatz ist auf ein Minimum ausgelegt, um möglichst wenig Wärme in die Kaltkanaldüse zu transportieren. Des Weiteren ist der Düsenschaft mit einem Dichtring ausgeführt, was eine zusätzliche Leckagesicherheit bewirkt. Dank der variablen Nadelhub-Einstellung lassen sich Füllunterschiede leicht ausgleichen. „Dass GÜNTHER seinen Kunden zuhört, spiegelt sich zum Beispiel auch beim wartungsfreundlichen Kaltkanal-Verteilersystem wider, das eine schonende Führung im Schmelzekanal aufweist. Konzipiert ist das System so, dass es für die Reinigung leicht demontiert und geöffnet werden kann“, merkt Resler an. „Ebenso ist im Bedarfsfall ein schnelles und einfaches Austauschen der standardisierten Verschleißteile wie Düsenstück, Nadelführung, Nadeln und Dichtungen möglich.“
Zum Kaltkanalsystem-Portfolio von GÜNTHER gehören die Einzel-Nadelverschluss-Kaltkanaldüse 5NEW80, die Einzel-Kaltkanaldüse 5DEW80, die System-Kaltkanaldüse TYP NKW und die System-Kaltkanaldüse Typ NMW. Für die elektrische Nadelverstellung und Durchflussregulierung mit bis zu vier verschiedenen Nadelpositionen pro Zyklus ist der Schrittmotor SMA 10 bestens geeignet. Über das Steuergerät DPE können bis zu 16 Schrittmotoren hochpräzise angesteuert werden. Zudem kann mit dem Steuergerät die Position jeder einzelnen Verschlussnadel im Werkzeug individuell eingestellt werden. Weiter gehören zum Kaltkanal-Portfolio auch der Schiebemechanismus Typ ANES sowie der pneumatische Mehrfachnadelantrieb Typ ANEH. Diese kommen bei engsten Nestabständen zum Einsatz und ermöglichen es ebenso, die Verschlussnadeln einzeln zur Durchflussregulierung einzustellen. GÜNTHER bietet aber auch eine komplette Kalte Seite an, die als Normalie zugekauft werden kann und sich effizient in die entsprechenden Werkzeuge integrieren lässt. Zum Abschluss fasst Resler zusammen: „Man kann nur gewinnen, wenn man den Dialog mit dem Kunden und dem Verarbeiter, also denen, die damit arbeiten, sucht und zuhört. So lässt sich auch die 20-jährige Expertise von GÜNTHER und Enbi Plastics erklären, die letztendlich wiederum dem Kunden zugutekommt.“
Über GÜNTHER Heisskanaltechnik
GÜNTHER produziert als Technologieführer im Bereich Heißkanal- und Kaltkanaltechnik mit mehr als 240 Mitarbeitern weltweit innovative und anwenderfreundliche Systeme für die kunststoff- und silikonverarbeitende Industrie. Zu seinen internationalen Kunden zählen führende Unternehmen der Branchen Automotive, Elektro/Elektronik, Medizintechnik, Verpackung und Konsumgüter.