Presseartikel
Verarbeitung von Biopolymeren im Heißkanal
Nie zuvor war die Kunststoffindustrie so von Nachhaltigkeit getrieben wie heute. Der zunehmende Druck von Gesellschaft und Gesetzgebung, die nachhaltigere Alternativen fordern, treiben auch GÜNTHER Heisskanaltechnik an. Deshalb widmete sich der 1. Virtuelle Technologietag von GÜNTHER am 16.06.2021 der Verarbeitung von Biopolymeren im Heißkanal.
Biopolymere sind eine attraktive Alternative zu Polymeren und rücken immer mehr in den Fokus der kunststoffverarbeitenden Industrie. Doch ihr Kristallisationsverhalten erschwert die Verarbeitung dieser neuen Materialien. Dies war Anlass für GÜNTHER Heisskanaltechnik, für einen virtuellen Technologietag ein interessantes Vortragsprogramm zu diesem Thema zusammenzustellen. Über 160 Anmeldungen aus unterschiedlichsten Unternehmen bewiesen das Interesse an den Möglichkeiten in der Biopolymer-Verarbeitung.
Das Vortragsprogramm des Online-Events eröffnete Manuel Schmellenkamp von Sigmasoft mit dem Thema „Verarbeitung von Biopolymeren – Wie nutzt Simulation?“ Am Beispiel von Polylactid (PLA), das als Blend spritzgießbar ist und mit Naturfasern gefüllt werden kann (zum Beispiel Holznachbildung), zeigte er den Nutzen von Simulation in allen Bereichen der Wertschöpfungskette der Kunststoffverarbeitung auf. PLA verhält sich beim Spritzgießen grundsätzlich wie ein Thermoplast, jedoch hat die Restfeuchte eine größere Auswirkung auf das mechanische und rheologische Verhalten. Zudem ist das Prozessfenster durch die starke Temperaturabhängigkeit oft enger. Im Nachgang beschrieb Manuel Schmellenkamp die Eigenschaften, die für eine Simulation benötigt werden, und simulierte den Einfluss der Viskositätsparameter von PLA beim Spritzgießen. Dabei kam er zur Schlussfolgerung, dass Viskositätsschwankungen in diesem Fall nicht die Balancierung, sondern vor allem den Druckbedarf beeinflussen. Die Prozessparameter haben also einen stärkeren Einfluss auf die Balancierung als die Polymereigenschaften, weshalb sich der Einsatz von Form-Innendrucksensoren empfiehlt. Im Anschluss folgte ein Film über die Gestaltung und Produktion eines BlueFlow® Heizers. In den Pausen konnten die Teilnehmer in extra eingerichteten „ZOOM-Break-out“-Räumen die Vorträge diskutieren sowie Fragen erörtern und „netzwerken“.
Wolfgang Wieth von K.D. Feddersen beschrieb „Kunststoffe im Wandel“ und ging dabei auf nachhaltige Materialien für technische Anwendungen ein. Eingangs beleuchtete er den European Green Deal, den CO2-Fußabdruck (Carbon Footprint) und das Masse-Bilanzverfahren, um dann auf die biobasierten und biologisch abbaubaren Biokunststoffe einzugehen. Die Zahlen der steigenden globalen CO2-Emissionen und ihrer Verursacher sorgten kurz für Verwunderung, denn nur 5 Prozent der auf Basis von Erdöl erzeugten Emissionen gehen auf Kunststoffe zurück und davon wiederum nur 1 Prozent auf technische Kunststoffe. Anhand verschiedener Beispiele belegte Wolfgang Wieth dann noch den steigenden Einsatz von biobasierten und biologisch abbaubaren Biokunststoffen in verschiedensten Branchen.
Ein schönes Beispiel dafür, wie man bereits ressourcenschonend in die Zukunft gehen kann, ist der sogenannte Papierspritzguss, den Niclas Beutler von Natur Compound den Teilnehmern näherbrachte. Papierspritzguss ist ein gemischter Werkstoff, der aus natürlichen Rohstoffen besteht, zum Beispiel aus einer Kombination aus nachwachsenden Rohstoffen wie Cellulose und abbaubaren Rohstoffen wie etwa Kreide. Das Granulat wird dann durch einen Vermengungsprozess hergestellt und die Produkte entstehen ganz konventionell mittels Spritzguss. Mit den Eigenschaften des Granulats gehen einige Vorteile einher. Die so hergestellten Produkte sind zu 100 Prozent biologisch abbaubar und hauskompostierbar, was Entsorgungskosten vermeidet. Zur Verarbeitung können bestehende Werkzeuge eingesetzt werden, was wiederum die Investitionskosten reduziert. Durch die Ähnlichkeit mit konventionellem Kunststoff ist die Anwendung für den Kunden bekannt. Der zugelassene Lebensmitteldirektkontakt sorgt zudem für vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Ein Material, das man sich unbedingt einmal näher anschauen sollte.
Jörg Essinger, Leiter Anwendungstechnik & Service bei GÜNTHER, belegte anhand der Ergebnisse aus den Materialversuchen mit Biopolymeren im Technikum von GÜNTHER die „Verarbeitung von Biopolymeren mit der Heißkanaltechnik“. Ein Auszug aus der Anwendungsdatenbank von GÜNTHER mit realisierten Anwendungen mit Biopolymeren zeigte dann auch auf, dass sowohl biobasierte als auch biologisch abbaubare (kompostierbare) Kunststoffe immer häufiger zur Anwendung kommen. Unter den angeführten Beispielen war unter anderem auch ein Eierbecher aus dem Biowerkstoff Fibrolon, einem PLA-Blend mit Holzfasern, das biologisch abbaubar ist. In diesem Werkzeug kam ein Heißkanal 5SMF30K mit AHJ5 (202004670) von GÜNTHER zum Einsatz. Das Schussgewicht betrug 11,2 g pro Düse. Verarbeitet wurde der Biowerkstoff mit einer Verarbeitungstemperatur von 150 °C bis 200 °C und einer Werkzeugtemperatur von 30 °C bis 50 °C. Die Verweilzeit war sehr kurz gewählt, um eine thermische Schädigung der Fasern zu vermeiden. In einem weiteren Beispiel ging Jörg Essinger auch auf die Verarbeitung eines Biopolymers ein, das zu ca. 70 Prozent aus einem nachwachsenden Rohstoff (Cellulose) und zu 30 Prozent aus einem abbaubaren Rohstoff (Kreide) besteht, also auf Papierspritzguss. In einem Video im Nachgang wurden dann die Vorgehensweise zur Gestaltung des optimalen Temperaturverlaufs im Verteiler und das Fertigen idealer Kanalbohrungen gezeigt.
Auf eine „Effiziente Kunststoffverarbeitung“ ging Christian Homp von ARBURG ein. In den Mittelpunkt seines Vortrags stellte er die Herausforderungen bei der Verarbeitung der Biokunststoffe, wie Schneckengeometrie, Spritzgießparameter sowie Heißkanal und Trocknung. Er hob hierbei eine besondere Sensibilisierung der Kunden und Endkunden für dieses Thema hervor. Als Beispiel führte er hier vergleichende Materialversuche im ARBURG-Technikum mit fossilen und alternativen Kunststoffen an. Im Anschluss stellte Jannes Wilke von der Anwendungstechnischen Beratung von GÜNTHER ein gemeinsames Projekt von GÜNTHER und ARBURG vor, bei dem ein Masken-Gehäuse aus Terralene HD 4527 mit einem 4-fach-Nadelverschluss-Werkzeug gefertigt wurde. Die Herausforderung lag hier bei der geringen Wandstärke, die eine kurze Einspritzzeit erforderte, und dies bei einem sehr engen Prozessfenster. Jannes Wilke beschrieb anschaulich die Auswahl des entsprechenden Düsentyps durch Füll- und Druckverlustberechnung.
Die Anwendung dieses 4-fach-Maskenfilter-Werkzeugs konnten die Teilnehmer des Technologietages im Rahmen einer virtuellen Live-Demo auf einer ARBURG-Maschine besichtigen. Auf einer weiteren ARBURG-Maschine wurde Biokunststoff verarbeitet. Nach einem virtuellen Firmenrundgang durch die Produktion von GÜNTHER endete das erfolgreiche Online-Event der Frankenberger Heißkanalspezialisten mit einer Podiumsdiskussion mit allen Referenten. GÜNTHER Geschäftsführerin Siegrid Sommer zeigte sich von der engagierten Teilnahme der Online-Besucher beeindruckt und schließt zwar weitere virtuelle Technologietage nicht aus, freut sich aber wieder auf einen realen GÜNTHER Technologietag 2023 in Frankenberg, denn in dem Jahr begeht GÜNTHER auch sein 40-jähriges Jubiläum.
Über GÜNTHER Heisskanaltechnik
GÜNTHER produziert als Technologieführer im Bereich Heißkanal- und Kaltkanaltechnik mit mehr als 240 Mitarbeitern weltweit innovative und anwenderfreundliche Systeme für die kunststoff- und silikonverarbeitende Industrie. Zu seinen internationalen Kunden zählen führende Unternehmen der Branchen Automotive, Elektro/Elektronik, Medizintechnik, Verpackung und Konsumgüter.